Wikileaks
Die Welle von Veröffentlichungen amerikanischer Dokumente ab dem Jahr 2010 durch die Enthüllungsplattform WikiLeaks machte auch vor Iran nicht halt, viele der zugänglich gewordenen Akten betrafen ihn. Sie zeigten etwa, wie amerikanische Sicherheitsdienste iranische Aktivitäten im Irak zu belegen suchten, allen voran die iranische Unterstützung schiitischer Aufständischer.
Dennoch hatten die Dokumente in Iran eine andere Wirkung als etwa in Europa. Denn was die amerikanische Regierung auch zu diesem Zeitpunkt über führende Mitglieder der iranischen Regierung dachte, war ohnehin hinlänglich bekannt, das diplomatische Klima zwischen den USA und Iran ohnehin kaum weiter zu beschädigen. Dennoch stellten die Enthüllungen Iran vor ein Problem.
Die bei weitem meiste Aufmerksamkeit erzeugten solche Dokumente, aus denen ersichtlich wurde, wie arabische Staatschefs hinter verschlossenen Türen über einen amerikanischen Angriff auf iranische Atomanlagen dachten. Zwar war es nichts Neues, dass das iranische Atomprogramm gerade in den Golfstaaten Ängste weckte und weckt, dennoch haben die arabischen Führer einen möglichen Angriff öffentlich stets kritisiert. Zu groß war ihre Furcht, vor dem eigenen Volk als Verräter an der muslimischen Sache dazustehen, zumal Ahmadinedschad in vielen Ländern des Nahen Ostens zu dieser Zeit der Held der Straße war.
Die Islamische Republik stellten diese Veröffentlichungen aber ebenso vor Probleme, entlarvten sie doch zwei der zentralen Dogmen staatlich-iranischer Selbstsicht. Zum einen zeigten sie, dass Iran zu dieser Zeit eben doch diplomatisch isoliert war, ein Eindruck, den die jeweiligen iranischen Regierungen stets zu vermeiden suchen, da viele Iraner nichts mehr fürchten als ein allzu negatives Image im Ausland. Zum anderen geriert sich die Islamische Republik gerade vor seiner religiösen Klientel gerne als Führer der islamischen Welt. Nun aber zeigte sich, dass die arabischen Staatschefs diesem Anspruch nicht folgen wollten. Folgerichtig versuchten die staatlichen iranischen Medien vor allem, den Wert der Dokumente herunterzuspielen. Sie seien gezielt veröffentlicht worden, um Zwietracht im Nahen Osten zu sähen und einen amerikanischen Angriff vorzubereiten. Zudem sollten sie Israel unterstützen. Die dort zitierten Aussagen der arabischen Staatschefs hingegen kamen in den iranischen Medien so gut wie nicht vor.
Medien und Pressefreiheit
Iran hat eine vergleichsweise vielfältige Medienlandschaft. Da es keine Vorabzensur gibt, erscheint eine Vielzahl von Zeitungen, von denen jedoch nicht wenige nach kürzester Zeit wieder verboten werden. Eine der prominentesten (jedoch längst nicht mehr auflagenstärksten) Zeitungen ist die Kayhan. Sie ist äußerst konservativ ausgerichtet und steht dem Revolutionsführer nahe. Sie besteht aus einer Inlands- und einer Auslandsausgabe, zudem besitzt sie eine Internetpräsenz in Persisch und Englisch. Sie wird vom Kayhan-Institut herausgegeben, derzeit geleitet von Hosein Shariatmadari, einem Vertrauten des Revolutionsführers. Die zur Zeit auflagenstärkste Zeitung ist die Zeitung Iran.
Neben Kayhan und Iran gibt es eine große Bandbreite an Zeitungen, die das gesamte Spektrum legaler politischer Meinungen abbilden. Die größte englischsprachige Zeitschrift Irans ist die Tehran Times. Sie wurde 1979 gegründet, um die Ziele und Ideale der Islamischen Republik in die Welt zu tragen. Ayatollah Mohammad Beheschti, einer der engsten Mitarbeiter Khomeinis, sagte, „die Tehran Times ist keine Zeitung der Regierung; sie muss eine laute Stimme der Islamischen Revolution und der Lautsprecher der unterdrückten Völker der Erde sein“.
Die Nachrichtenagentur der Islamischen Republik Iran IRNA bietet ihre Dienste auf Persisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch und Chinesisch an. Im staatlichen Fernsehen gibt es mehrere landesweite Sender und diverse Regionalprogramme, dazu kommen Al-Alam und Press TV. Privatfernsehen gibt es nicht. Die landesweiten Programme sind alle in einem Gebäude in Teheran ansässig, die offizielle Bezeichnung des Fernsehens ist „Stimme und Auge der Islamischen Republik“. Die Sender sind nach Themengebieten wie Politik, Unterhaltung, Bildung und Sport unterteilt, aber das Thema Religion nimmt, unabhängig vom jeweiligen Sender, stets etwa die Hälfte der Sendezeit in Anspruch.
Die Verfassung der Islamischen Republik von 1979 forderte zwar explizit die Freiheit der Medien, allerdings nur solange diese „entsprechend der islamischen Prinzipien“ gestaltet seien. Sowohl Fernsehen als auch Rundfunk unterstehen seit 1979 einer eigenen Behörde, deren Leiter jederzeit vom Revolutionsführer abgesetzt werden kann. De facto kann von Pressefreiheit also nicht gesprochen werden, auf der „Weltrangliste der Pressefreiheit» von 2019 kommt Iran auf Platz 170 von 180 berücksichtigten Ländern.
Amnesty International dokumentiert in seinem Jahresbericht 2017/2018, wie die freie Meinungsäußerung in Iran durch vage Gesetze und hartes Durchgreifen unterdrückt wird und wie vor allem das Internet strikter Kontrolle durch die Behörden unterliegt. Viele Journalisten und Blogger werden verhaftet und zu Gefängnis- oder Prügelstrafen verurteilt. Nach Jahren der Vorbereitung hat Iran zudem kürzlich ein «nationales Datennetzwerk», ein iranisches Intranet, auf den Weg gebracht, durch das sich der freie Zugang zum Internet weiter einschränken lässt. Auch dies hat inzwischen Einfluss auf den Zugang zum Internet von Iran aus.
Die Ausrichtung der jeweiligen Regierungen ändert an diesen grundsätzlichen Problemen allenfalls relativ etwas. So wurden etwa trotz der Initiativen Mohammad Khatamis weiterhin Journalisten verfolgt und eingesperrt. Diese Situation hatte sich unter seinem Nachfolger Ahmadinedschad weiter verschlechtert und sich bis heute nicht grundlegend geändert.
Kulturelle Identität
Iran ist eines der ältesten Kulturländer der Erde. Einige der ersten menschlichen Hochkulturen entstanden auf seinem heutigen Staatsgebiet, etwa das Reich von Elam. Das Land blickt somit auf eine mehrtausendjährige Zivilisationsgeschichte zurück.
Das Bewusstsein, Teil dieser Geschichte zu sein, ist in der heutigen iranischen Kultur fest verankert. Politische und weltanschauliche Haltungen mögen sich unterscheiden, der Stolz auf die eigene Geschichte ist beinahe allen Iraner gemein. Die iranische Kultur ruht heute im Wesentlichen auf zwei Säulen, die einerseits fest miteinander verwoben sind, deren Verhältnis andererseits jedoch nicht frei von Konflikten ist: dem (vorislamischen) Persertum und dem (schiitischen) Islam. Die rein flächenmäßig größten Reiche etwa brachte Persien vor der Ausbreitung des Islam hervor, vor allem unter den Achämeniden und Sasaniden. Viele Traditionen, Sitten und Gebräuche, Verhaltens- und Denkweisen der Bevölkerung sind (wenn auch unbewusst) weiterhin auf diese Zeiten bezogen und auch die Islamische Republik beruft sich auf sie. So ist etwa das Logo der staatlichen Fluglinie Iran Air ein Symbol aus vorislamischer Zeit.
Nichtsdestotrotz ist Iran heute ein islamisches Land und die meisten Iraner sind Muslime. Gerade auf dem Land prägen islamische Sitten, Gebräuche und Regeln das Leben der Bevölkerung in hohem Maß. Da Iran sich außerdem als schiitisches Land von seinen überwiegend sunnitischen Nachbarn unterscheidet, hat sich eine Symbiose aus Persertum und schiitischem Islam entwickelt, die das kulturelle Selbstverständnis vieler Iraner prägt.
Unter den jungen Städtern insbesondere der höheren sozialen Schichten aber besteht seit vielen Jahren eine Bewegung, diese Symbiose zu beenden (deren Größe sich freilich kaum seriös schätzen lässt und deren Einfluss letzten Endes begrenzt ist). Auch aus Protest gegen das System lehnen diese Menschen den Islam als etwas Fremdes ab. Sie kehren sich von allem „Arabischen“ ab (und als solcher gilt ihnen eben auch der von Arabern nach Iran gebrachte Islam) und wenden sich ihren „persischen“ Wurzeln zu.
Unter ExilIraner und besonders im Internet treibt dies allerdings bisweilen bizarre Blüten. So gibt es etwa Kreise, auch wenn diese nicht sehr groß sind, in denen versucht wird, arabische Wörter aus der Alltagssprache zur verbannen und stattdessen nur noch persische zu benutzen. Dies ist aufgrund der sehr großen Zahl arabischer Lehnwörter im Persischen kein einfaches Unterfangen und führt teilweise zu allzu gekünstelt klingenden Neologismen.
In den großen Städten haben zudem längst „moderne“ Errungenschaften Einzug gehalten, die die Alltagskultur prägen. Nahezu jede iranische Familie hat eine Satellitenschüssel, auch wenn diese offiziell verboten sind. Das Internet ist weit verbreitet, die Zahl der Internetcafés (Cofee Net) nimmt stetig zu, chatten (und zunehmend auch bloggen) ist Volkssport unter jungen Iraner. Zudem ist die Zahl an Handys gerade unter jungen Iraner hoch, auch wenn SIM-Karten sehr teuer sind. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Filme aus Hollywood, die überall auf den Straßen zu kaufen sind. Die dürftige Qualität und die auch bei diesen Raubkopien greifende islamische Zensur schrecken niemanden ab. Auf Ausländer wirkt es jedoch bisweilen befremdlich, wenn etwa bei dem Film Troja die meisten Stellen herausgeschnitten wurden, in denen Brad Pitt zu freizügig zu sehen ist.
Ungeachtet dieser Entwicklungen erfreuen sich die klassische Poesie und Literatur weiter großer Beliebtheit, der Stolz auf die großen nationalen Poeten Hafez, Saadi und Ferdousi ist ungebrochen. Gerade über ersteren ist den meisten gebildeten Iraner zudem Goethe ein Begriff, über den sie gerade mit Ausländern aus Deutschland gerne diskutieren. Unkenntnis auf diesem Gebiet wird mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen.
Zudem besitzt Teheran seit Jahren eine aktive Theaterszene, die sogar Festivals veranstaltet.
Religionen
Iran ist nach seiner Verfassung ein islamischer Staat, der zwölfer-schiitische Islam ist Staatsreligion. Alle Gesetze des Landes haben daher in Einklang mit den islamischen Prinzipien zu stehen; gerade im Bereich des Familienrechts gilt die Scharia. Seit 1979 prägt der schiitische Islam zudem das offizielle Leben, 90 % aller Iraner sind schiitische Muslime, hinzu kommen etwa 9 % Sunniten. Diese sehen sich allerdings vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt und werden vor dem Gesetz benachteiligt. Ohnehin haben die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten in den letzten Jahren zugenommen. Zudem ist davon auszugehen, dass sich Anschläge auf das Teheraner Parlamentsgebäude sowie das Mausoleum von Ayatollah Khomeini im Juni 2017 und die auf die Militärparade in Ahwaz im September 2018 – die Täter waren iranischen Erkenntnissen zufolge in beiden Fällen sunnitische Iraner – weiter negativ auf das Verhältnis von Schiiten und Sunniten auswirken wird.
Neben den Muslimen gibt es jüdische, christliche und zoroastrische Minderheiten, die von der Verfassung anerkannt werden und denen Sitze im Parlament zustehen.
Seit der Antike hat Iran eine der größten jüdischen Gemeinden des Nahen Ostens. Nach der Revolution von 1978/79 (kleinere Auswanderungswellen hatte es bereits zuvor gegeben) verließen jedoch viele Juden, trotz aller Beteuerungen Khomeinis, seine Angriffe richteten sich gegen Israel und nicht gegen iranische Staatsbürger jüdischen Glaubens, die Islamische Republik und zogen nach Israel, Europa oder Amerika. Unter anderem wurden der ehemalige Minister und Parlamentsabgeordnete Schaul Mofas sowie der ehemalige Staatspräsident Israels Moshe Katsav in Iran geboren. Heute leben noch etwa 8500 Juden in Iran, vor allem in Teheran und Shiraz. Sie stellen einen Parlamentarier.
Die christliche Minderheit Irans besteht vor allen aus Armeniern verschiedener Konfessionen, daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Isfahan. Nach der Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75 % von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa 100 000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu.
Die zoroastrische Minderheit, Anhänger einer der bedeutendsten vorislamischen Religionen Irans, ist nach Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert nach Indien und im 20. Jahrhundert in die USA heute auf etwa 30 000 Mitglieder geschrumpft. Ihre Mitglieder leben, neben Teheran, vor allem in der Gegend um Yazd im Zentraliran. Auch sie werden durch einen Parlamentarier repräsentiert.
Eine Sonderstellung unter den religiösen Minderheiten nehmen die Bahai ein. Die Mitglieder dieser im 19. Jahrhundert in Iran aus dem schiitischen Islam hervorgegangenen Religion gelten offiziell als vom Islam Abgefallene und besitzen daher keinerlei Rechte. Sie bekommen keine Personalpapiere ausgehändigt und sind vollkommen staatlicher Willkür ausgeliefert.
MadelnTurkey: Einblicke in die Religionsgeschichte Irans (2:06)
Der Urheber dieser Texte ist Tilmann Trausch. Wir haben ihn per E-Mail informiert. Ebenso hatten wir mit der GIZ vereinbart, Inhalte auf touristischen Webseiten mit Nennung der Quelle zu nutzen. Jede Hilfe für mehr Bildmaterial und wichtige Änderungen ist willkommen.